Drei Bücher zur extremen Rechten
Wie wünschenswert wäre es, würden mehr Bücher über den Aufstieg progressiver Ideen und Parteien erscheinen, statt über die Erfolgsbedingungen der Rechten und darüber, wie extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstören. Doch rechte Narrative haben Konjunktur, und so besteht die Notwendigkeit, sich mit ihnen auseinanderzusetzen – auch in Rezensionen wie dieser.
Drei aktuelle Bücher beleuchten die ideologischen, historischen und strategischen Dimensionen der extremen Rechten: Stefan Dietl behandelt Antisemitismus in der AfD, stützt sich dabei aber auf bekannte Fälle und entwickelt eine fragwürdige These über eine angeblich „antifaschistische Sprachlosigkeit“. Marcel Lewandowsky analysiert die globale Rechte präzise, differenziert nach Akteuren, Ideologien und Strukturen – und bietet dabei auch für informierte Leser:innen neue Einsichten. Volker Weiß legt eine detaillierte Studie zur begriffspolitischen Umdeutung von Geschichte vor und zeigt, wie rechte Diskurse Deutungshoheit über historische Narrative gewinnen wollen.
AfD sells? – Keine neuen Erkenntnisse über Antisemitismus in der AfD
Inzwischen scheint auch „AfD sells“ zu gelten – zumindest wirkt es so beim im Verbrecher Verlag erschienenen Buch Antisemitismus und die AfD von Stefan Dietl. Der Verlag formuliert die Annahme, „in der Analyse der AfD [werde dem Antisemitismus] kaum Beachtung geschenkt“, weshalb sich der Journalist Dietl, der regelmäßig zur AfD publiziert, „dieser Leerstelle“ widme. Der Autor behauptet, dass zur AfD zwar „unzählige Bücher in den vergangenen Jahren erschienen [seien], [doch] nur in den wenigsten wird der Antisemitismus in der Partei überhaupt erwähnt, geschweige denn analysiert“ (S. 108).
Mit Blick auf die Vielzahl publizierter Handreichungen und Studien der letzten Jahre (vgl. n.v.a. Grigat et al 2017, Salzborn 2019, Tuschling 2021, Rensmann 2021, Lorenz 2024) zum Antisemitismus in der AfD kann von einer Leerstelle keine Rede sein. Die ins Leere laufende Behauptung erfüllt für Dietl jedoch eine Funktion, die sich im letzten Drittel des Buches aufklärt: Die vermeintlich mangelnde Wahrnehmung des Antisemitismus in der AfD beruhe – Dietl zufolge – auf einer „antifaschistischen Sprachlosigkeit“, die wiederum „im manifesten Antisemitismus in Teilen der Linken“ begründet liege (S. 111). Auch die Feststellung, dass es einen linken Antisemitismus gibt, ist nicht neu. Dass dieser Antisemitismus in der gesellschaftlichen Linken eine antisemitismuskritische Analyse der AfD blockiere, kann Dietl über diese pauschale Behauptung hinaus nicht begründen.
Abgesehen von diesem Kurzschluss enthält das 135-seitige Pocket Book wenig bis keine neuen Erkenntnisse. In fünf Abschnitten – der erste umfasst acht Kapitel – greift es bekannte Sachverhalte auf. Im ersten Kapitel zum „Fall Gedeon“, dem antisemitischen AfD-Abgeordneten aus dem Landtag Baden-Württemberg, wird ein prototypisches, aber bereits vielfach dokumentiertes Fallbeispiel erneut dargestellt. Dies trifft auch auf zahlreiche weitere Beispiele in Dietls Buch zu.
Gleichwohl erläutert der Autor sachkundig den Antisemitismus in der AfD anhand zahlreicher Aussagen und Positionierungen von AfD-Politiker:innen. Dabei widmet er sich Themen wie Geschichtsrevisionismus, verschwörungsideologischem und israelbezogenem Antisemitismus. Dieser nachvollziehbaren Darstellung steht das Unterkapitel „Wenn die unsichtbare Hand versagt“ über Neoliberalismus und Antisemitismus gegenüber. Zwar benennt Dietl neoliberale Argumentationsmuster, doch gelingt es ihm nicht, den Zusammenhang zum Antisemitismus in der AfD überzeugend darzulegen. Es entsteht der Eindruck, Dietl wolle über einen Umweg auch den weniger völkisch auftretenden Wirtschaftsflügel der AfD in das Antisemitismusmuster einbeziehen. Auch das nachfolgende Unterkapitel zum christlichen Antisemitismus beschreibt zutreffende Sachverhalte, doch vermittelt es den Eindruck, als seien alle von Dietl beobachteten Phänomene gleich bedeutsam, obwohl eine systematisierende und wertende Einordnung wünschenswert gewesen wäre.
Wenn Dietl schreibt: „Scharf zurückgewiesen werden die Avancen der AfD übrigens vom jüdischen Staat selbst. In Israel hat man kein Interesse, sich vor den Karren der deutschen Rechten zu spannen und setzt sich gegen die Versuche der Vereinnahmung zur Wehr“ (S. 88), bleibt dies nur die halbe Wahrheit. Dietl verschweigt die Aktivitäten rechtsextremer Parteien und Akteure im Kabinett Netanjahu sowie deren Allianzen mit der globalen Rechten. Ein Beispiel ist die Internationale Konferenz zur Bekämpfung des Antisemitismus, die im März in Jerusalem auf Einladung des Likud-Ministers Amichai Chikli stattfand. Eingeladen waren Vertreter:innen rechtsextremer Parteien und Institutionen aus Europa und den USA, weshalb viele jüdische Gemeinden ihre Teilnahme absagten. Natan Sznaijder kritisierte die Konferenz deutlich. Ministerpräsident Netanjahu sprach dort von „einer systemischen Allianz zwischen der ‚ultra-progressiven Linken und dem radikalen Islam‘“ – eine Formulierung, mit der sich auch die Bindungen zum Orbán-Regime, zu Russland und zu rechten US-Akteuren erklären lassen. Diesen Analyserahmen blendet Dietl völlig aus.
Global, radikal, vernetzt – Marcel Lewandowsky über die rechte Internationale
Da die Benennung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der radikalen und extremen Rechten weltweit angesichts ihres anhaltenden Erfolgs zentral ist, hat Marcel Lewandowsky in der Reihe „Wissen“ des Verlags C.H.Beck ein ebenfalls handliches Buch veröffentlicht: Die globale Rechte. Geschichte, Erfolgsbedingungen, Auswirkungen.
Lewandowsky ist Politikwissenschaftler und forscht seit vielen Jahren zu Demokratie, autoritärem Populismus und rechtem Extremismus. Er lehrt derzeit als Privatdozent an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Das Buch umfasst neben Einleitung und Ausblick fünf Kapitel. Angesichts der inflationären Verwendung des Begriffs „rechts“ nimmt Lewandowsky zu Beginn eine begriffliche Klärung vor – keineswegs banal, sondern auch strategisch für progressive Kräfte relevant. Anfang 2024 gingen in Deutschland Millionen Menschen gegen die AfD auf die Straße. In der Mobilisierung blieben die Unterschiede zwischen Rechtsextremen und Konservativen häufig unscharf; Union und AfD wurden teils gleichgesetzt – faktisch falsch und politisch kontraproduktiv. Eine klarere Begriffsunterscheidung ist notwendig: zwischen jenen Unionspolitiker:innen, die mit der AfD bewusst flirten, und denen, die irrig glauben, man könne AfD-Wähler:innen mit rechten Signalen zurückgewinnen. Zudem ist im konservativen Spektrum der Begriff „rechts“ keineswegs durchweg negativ besetzt, da man sich als demokratische Rechte versteht.
Auf wenigen Seiten erläutert Lewandowsky zentrale Ungleichheitsideologien wie Rassismus, Xenophobie, Ethnozentrismus, Antisemitismus und Antifeminismus. Die Fähigkeit, komplexe Themen auf das Wesentliche zu konzentrieren, ist eine Stärke des Buches. Dies zeigt sich auch im zweiten Kapitel, das auf rund 15 Seiten die Entwicklung von der alten zur Neuen Rechten skizziert. Das dritte Kapitel widmet sich der globalen Rechten heute und unterscheidet zwischen Bewegungen, digitalen Plattformen, europäischen Parteinetzwerken und Akteuren im globalen Vergleich. Die politische Rechte war im Gegensatz zur Linken nie internationalistisch orientiert. Lewandowsky nennt die Vorstellung einer „rechten Internationale“ daher zu Recht widersinnig – und beschreibt sie dennoch als Realität strategischer Koordination, medialer Unterstützung und internationaler Veranstaltungen (S. 53 f.). „Nicht zu unterschätzen ist auch, dass diskurs- und finanzmächtige Akteure wie Elon Musk oder mit der russischen Regierung verbundene Organisationen rechte Parteien grenzübergreifend unterstützen“ (S. 54). Auch für informierte Leser:innen bietet die nach Regionen und Ländern differenzierte Darstellung neue Erkenntnisse über Erscheinungsformen rechter Politik weltweit.
In den Kapiteln IV und V behandelt Lewandowsky überblicksartig Erfolgsbedingungen (u. a. psychologische Faktoren, Sozialisation, ökonomische und gesellschaftliche Entwicklungen) sowie die Auswirkungen rechtsextremer Politik auf Staat, Justiz, Medien und Gesellschaft. Ob die Abschnitte zu Rechtsterrorismus und parteipolitischen Gegenstrategien im Kapitel „Auswirkungen“ sinnvoll aufgehoben sind, bleibt fraglich. Die Darstellung rechter Gewalt wäre in Kapitel III besser verortet gewesen; die Gegenstrategien gehören in den Ausblick. Für eine überarbeitete Fassung dieses exzellenten Buches wären ein Literaturverzeichnis und eine digitale Version zur politischen Bildungsarbeit zu empfehlen – auch für die Bundeszentrale für politische Bildung und die Landeszentralen.
Resignifikation – Volker Weiß analysiert geschichtspolitische Narrative
Wer nach der Lektüre von Die globale Rechte mehr über die begriffspolitischen Strategien der extremen Rechten erfahren möchte, findet Antworten in Volker Weiß’ Buch Das Deutsche Demokratische Reich. Wie die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört.
Volker Weiß, bekannt durch seine Arbeiten zur Neuen Rechten und sein Standardwerk Die autoritäre Revolte, analysiert in seinem neuen Buch diskursive Interventionen der Rechten – von AfD-Reden über Compact bis zu ideologischen Importen aus Russland. Entstanden ist eine sorgfältig recherchierte und analytisch dichte Studie über das revisionistische Geschichtsbewusstsein und die begriffspolitischen Strategien der extremen Rechten.
Im Zentrum steht die Frage, wie rechte Akteure historische Narrative umdeuten, um politische Deutungshoheit zu erlangen. Geschichte ist für die extreme Rechte kein Ort der Aufarbeitung, sondern ein Reservoir strategischer Umdeutungen – ein Instrument zur Mobilisierung gegen den liberalen Westen. In fünf Kapiteln legt Weiß deren geschichtspolitische Strategie offen.
Zentral ist sein Konzept der „Resignifikation“: Begriffe und Symbole – etwa DDR, Nationalsozialismus oder Sozialismus – werden aus dem historischen Kontext gelöst, neu besetzt und politisch aufgeladen. Ein Beispiel ist die Behauptung, die NSDAP sei eine linke Partei gewesen. Erst jüngst verbreitete AfD-Frontfrau Alice Weidel ein entsprechendes Goebbels-Zitat – das sich als erfunden herausstellte. Weiß entlarvt die Behauptung als historische Fälschung und zeigt, wie sie zur Diskreditierung politischer Gegner dient. Seine Darstellung überzeugt nicht nur inhaltlich. Sie konfrontiert auch progressive Milieus mit ihrer oft oberflächlichen, redundant argumentierenden Empörungskultur – und setzt ihr eine faktenbasierte Analyse entgegen.
Auch der DDR wird in rechten Diskursen neue Bedeutung zugeschrieben: mal als Bollwerk deutscher Identität, mal als Paradebeispiel autoritärer Ordnung – je nach Bedarf. Der von Jürgen Elsässer geprägte Begriff eines „Deutschen Demokratischen Reiches“ steht exemplarisch für diese Verschmelzung von DDR-Nostalgie und völkischem Nationalismus – eine gefährliche Melange, die den Titel des Buches jedoch nicht vollumfänglich trägt.
In Brücken im Ukraine-Krieg analysiert Weiß die ambivalente Russland-Rezeption der Rechten nach dem Überfall auf die Ukraine: Zwischen Bewunderung für Putins autoritäres Regime und geopolitischer Feinderzählung gegen Russland oszillieren rechte Narrative – solange sie sich gegen den Westen wenden lassen.
Drei der fünf Kapitel wären für die politische Bildungsarbeit besonders geeignet. Das Kapitel „Alte Landkarten“ über Grenzrevisionismus und Ostpreußen-Nostalgie ist zwar gut recherchiert, hätte jedoch entfallen können. Der Abschnitt „Die deutsche Rechte im Ost-Dilemma“ wäre besser dem ersten Kapitel zugeschlagen worden. Kritisch angemerkt wurde, dass Weiß’ Rückgriff auf poststrukturalistische Begriffe wie „subversive Resignifikation“ gelegentlich überdehnt wirkt. Den Erkenntnisgewinn schmälert das nicht.
Ein besonderer Verdienst des Buches liegt in der Rekonstruktion ideologischer Genealogien der extremen Rechten. Weiß schlägt den Bogen von jungkonservativen Intellektuellen der Weimarer Republik über Schmitt und Spengler bis zu Akteuren wie Dugin, Kisoudis und Höcke. Dabei zeigt er die Kontinuitäten rechter Denkmuster und ihre mediale Transformation – auch wenn eine vertiefte Analyse der digitalen Resonanzräume wünschenswert wäre. Weiß liefert keinen Leitfaden zur Gegenwehr – aber er entlarvt die Strategien, mit denen Geschichte zur wirksamen Waffe in den Händen der extremen Rechten wurde.
Stefan Dietl: Antisemitismus und die AfD, Verbrecher Verlag, Berlin 2025 (ISBN: 978-3-95732-616-4)
Marcel Lewandowsky: Die globale Rechte. Geschichte, Erfolgsbedingungen, Auswirkungen, Verlag C.H.Beck, München 2025 (ISBN: 978-3-406-83018-1)
Volker Weiß: Das Deutsche Demokratische Reich. Wie die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört, Klett-Cotta, Stuttgart 2025 (ISBN: 978-3-608-96667-1)