13.05.2025
Benjamin-Immanuel Hoff
Interview aus dem Podcast »Kunst der Freiheit«

Erkenntnisse aus dem Relevanzmonitor Kultur 2025

Im März dieses Jahres erschien, herausgegeben von der Liz Mohn Stiftung, der »Relevanzmonitor Kultur 2025«. Von dem Meinungsforschungsinstitut forsa umgesetzt, fragt der Monitor, wie Bürger:innen Kultur erleben, welche Angebote sie nutzen – und was sie von Kulturinstitutionen erwarten. Im Zentrum stehen Fragen der Zugänglichkeit, sozialen Relevanz und demokratischen Funktion von Kultur.

Für meinen Podcast Kunst der Freiheit sprach ich in der Sendung vom 10. April 2025 mit Dorothea Gregor und Carsten Brosda über den Relevanzmonitor.

Frau Gregor arbeitet bei der Liz Mohn Stiftung und ist dort u.a. die Projektverantwortliche für den Relevanzmonitor Kultur, der nach 2023 nunmehr in zweiter Ausgabe erschienen ist.

Carsten Brosda ist Hamburger Senator für Kultur und Medien sowie der Präsident des Deutschen Bühnenvereins. Er hatte so etwas wie die Schirmherrschaft für den diesjährigen Relevanzmonitor inne und verfasste das Vorwort.

Beide getrennt voneinander geführten Gespräche, werden hier zu einem Gespräch zusammengefasst.

  

BIHoff: Frau Gregor, was waren aus Ihrer Sicht und Carsten, aus deiner, die bemerkenswertesten Ergebnisse des aktuellen Relevanzmonitors Kultur im Verhältnis zu seiner ersten Ausgabe 2023?

Frau Gregor: Ganz bemerkenswert war für mich, dass sich die hohen Zustimmungswerte zur Wahrnehmung von Kultur aus dem Jahr 2023 wiederholt und gehalten haben.
Auffällig ist, und damit war nicht zu rechnen, dass rund zwei Drittel der befragten Menschen die Kulturförderung für genauso wichtig oder mindestens für genauso wichtig erachten wie andere öffentliche Aufgaben.


Carsten Brosda: Der Relevanzmonitor Kultur enthält einige für die Kultur wirklich relevante und wichtige Botschaften. Dazu gehört, dass an die 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sagen, dass kulturelle Einrichtungen, kulturelle Angebote wichtig sind für unsere Gesellschaft. Über zwei Drittel sagen, wir finden es auch wichtig, dass diese Angebote genauso als Infrastruktur gefördert werden, wie es viele andere Bereiche unseres öffentlichen Lebens auch tun.
Viele Menschen sagen, wir erfahren aus kulturellen Angeboten, aus künstlerischen Angeboten, Dinge, die wir aus den normalen Nachrichten nicht erfahren, weil einfach nochmal andere Kriterien eine Rolle spielen.

Wenn man das zusammenfasst, dann sieht man, dass die Relevanz von kulturellen Angeboten eigentlich gar nichts ist, was wir immer wieder so aufgeregt im Krisenmodus diskutieren müssten, sondern wo wir uns vielleicht angewöhnen sollten, etwas selbstverständlicher davon auszugehen, dass Menschen in unserem Land und nicht nur in unserem Land kulturelle Angebote künstlerische Interventionen und Inspirationen tatsächlich als etwas Wichtiges für ihr Leben betrachten.

BIHoff: Die Daten zeigen eine Diskrepanz zwischen den Kulturangeboten im ländlichen Raum und den Großstädten. Das liegt natürlich auf der Hand, aber wie gestaltet sich die Wertschätzung gegenüber diesen Kulturangeboten?

Frau Gregor: Die Wertschätzung gegenüber Kulturangeboten ist überall sehr groß. Den meisten Menschen ist es wichtig, an einem Ort zu leben mit einem breiten kulturellen Angebot. In den Großstädten ist die Zufriedenheit mit dem Angebot deutlich höher: 8 von 10 Menschen sind dort mit dem Angebot vor Ort zufrieden. Das hängt mit Sicherheit damit zusammen, dass es mehr kulturelle Angebote in den Großstädten gibt. In den kleineren Gemeinden sind nur 5 von 10 Befragten mit dem lokalen Kulturangebot zufrieden.


Wir haben aber auch die Verbundenheit der Menschen zu den Kultureinrichtungen vor Ort abgefragt.
Auch hier gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land. Bürger:innen, die in großen Städten mit mindestens 500.000 Einwohner:innen leben, fühlen sich überdurchschnittlich häufig sehr bzw. eher mit den dortigen Kultureinrichtungen und Veranstaltungsstätten verbunden.
Angesichts dessen ist es in jedem Fall wichtig, dass das kulturelle Angebot auch in der Fläche ausgebaut wird und neue Kooperationsformen hinzukommen. Es erscheint mir bedeutsam, dass noch stärker überlegt wird, wie man nicht nur die Leute erreicht, sondern mit den Menschen zusammen Angebote schafft, sodass sie auch dann vor Ort wirklich verankert sind.


Carsten Brosda: Zutreffend ist, dass obwohl fast 90 Prozent der Befragten sagen, dass Kultur ihnen wichtig ist, nur ein gutes Drittel sagt, ich interessiere mich auch wirklich dafür und gehe regelmäßig hin. Das ist ein Wert, den wir aus vielen Studien kennen, wo die Zahl der regelmäßigen Besucher:innen von Kulturangeboten zwischen 35 und 50 Prozent schwankt. Das kann man in zwei Richtungen auflösen.
Man könnte nun larmoyant sagen, viele Menschen interessieren sich dann halt nicht. Oder man guckt sich an, wo denn die Diskrepanz zwischen zugewiesener Bedeutung auf der einen Seite und persönlichem Interesse auf der anderen Seite herkommt und arbeitet auch mit kulturellen Angeboten daran, diese Lücke zu schließen. Ich würde zu letzterem raten und würde immer sagen, genau diese Differenz zwischen den 35 Prozent und den 90 Prozent, das ist die Aufgabe, ein Potenzial zu erschließen, das noch mehr Menschen es ermöglicht, tatsächlich kulturelle Angebote und ihren Sinn mit in ihren Alltag zu integrieren und damit ein noch besseres, noch erfüllteres Leben auch tatsächlich finden zu können. Die Chance besteht.


BIHoff: Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie, persönlich aber auch die Liz Mohn Stiftung, aus den Erkenntnissen des Monitors?

Frau Gregor: Mit dem Relevanzmonitor legen wir als Liz Mohn Stiftung nun schon zum zweiten Mal eine datenbasierte valide Grundlage für die Diskussionen über Kulturpolitik und Kulturförderung vor. Der Relevanzmonitor ist ein Kommunikationsinstrument, der das Sprechen über Kultur und über die Zukunft von Kulturförderung erleichtert, vor allem zwischen kulturschaffenden Institutionen und politischen Entscheidungsträgern. Die Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen sind für mich ganz klar: Kulturpolitik muss inklusiver werden. Es braucht stärkere Anstrengungen, um mehr Menschen den Zugang zu Kultur zu ermöglichen. Zum Beispiel über Preisgestaltung, über Bildungsarbeit, über dezentrale Angebote.

Die Kulturkommunikation muss ebenfalls neue Wege gehen. Kulturinstitutionen sollten niedrigschwelliger kommunizieren und Zielgruppen auch anders und besser ansprechen, dort, wo sie sind. Das bedeutet aus meiner Sicht: digitaler werden, diverser und mit mehr Alltagsnähe.

Eine wichtige Schlussfolgerung ist ebenso, dass kulturelle Bildung ein Schlüssel ist. Das heißt, wer früh mit Kultur in Berührung kommt, bleibt eher dabei. Zentral ist deshalb die kulturelle Bildung in der Schule und der Kita zu stärken, um Teilhabe langfristig zu sichern.

Abschließend: Die Relevanz von Kultur muss argumentativ untermauert werden. Das heißt, Kulturakteur:innen sollten lernen, den gesellschaftlichen Mehrwert von Kultur besser zu vermitteln, zum Beispiel für Demokratie, für Integration, für Lebensqualität. In diesem Sinne zeigt der Relevanzmonitor selbst auch, dass es mehr systematische Beobachtungen und Daten gibt, um Kulturförderung gezielter zu gestalten.

Carsten Brosda: Der Relevanzmonitor Kultur zeigt, dass es eine kulturpolitische, eine kulturelle, eine künstlerische Aufgabe ist, sich Kultur zu nähern und sich tatsächlich darum zu bemühen, dass kulturelle Angebote in ihrer Breite auch gesellschaftlich erfahren werden können.
Grosso modo belegt diese Studie, glaube ich, einmal mehr, dass wir in Deutschland ein hohes Bewusstsein für den Wert der Kultur und wir sollten alle miteinander als Demokratinnen und Demokraten dafür kämpfen, dass dieses hohe Bewusstsein, ein demokratisches Bewusstsein für die Kultur bleibt.

 

BIHoff: Frau Gregor, lieber Carsten, herzlichen Dank für das Gespräch.