09.04.2025
Benjamin-Immanuel Hoff
Geschichte

Umkämpfte Erinnerungspolitik.

Die Erinnerung an den 80. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus ist nicht gänzlich zu trennen von den gegenwärtigen Interventionen der politischen und religiösen Rechten in die Erinnerungskultur.

In der Sendung vom 27. Januar 2025 meines Podcasts Kunst der Freiheit sprach ich ausführlich mit Prof. Dr. Jens-Christian Wagner über Erinnerung und Verantwortung 80 Jahre nach der Befreiung. Denn Jens-Christian Wagner ist der Direktor der Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora und lehrt an der Universität Jena. Wir blickten dabei auch auf die bevorstehenden Feierlichkeiten zur Erinnerung an die Befreiung der Insassen aus dem Universum des Grauens, wie Wolfgang Sofsky in der Einleitung zu seinem Standardwerk über Die Ordnung des Terrors: Das Konzentrationslager formuliert. Was sich weder Jens-Christian Wagner als auch ich, der ich zehn Jahre lang als Kulturminister Thüringens den Stiftungsrat der Gedenkstätte leitete, uns beim Gespräch im Januar vorstellen konnten, war, dass die Gedenkveranstaltung am vergangenen Sonntag in Weimar überschattet werden würde, von der Intervention der israelischen Botschaft gegenüber dem von der Gedenkstätte eingeladenen Redner Omri Boehm.

Der israelisch-deutsche Philosoph, der in New York lehrt, ist ein Kritiker der gegenwärtigen israelischen Regierungspolitik und setzt sich für eine binationale Einstaatenlösung ein. Die israelische Botschaft intervenierte scharf sowohl öffentlich in den sozialen Netzwerken als auch gegenüber der Gedenkstätte Buchenwald gegen die Einladung Boehms, der neben dem Bundespräsidenten a.D. Christian Wulff, dem gegenwärtigen Thüringer Ministerpräsidenten Mario Voigt und Naftali Fürst, dem 92-jährigen Holocaustüberlebenden und Präsidenten des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos sprechen sollte.

Gegenüber der Jüdischen Allgemeine betonte Botschafter Prosor: »Ich bin stolz darauf, einem Gedenken an die Schoa, dass das Leid der Überlebenden relativiert oder den Staat Israel infrage stellt, die Rote Karte zu zeigen – und ich tue dies auch für diejenigen, die ihre Stimme nicht mehr erheben können. Wo Omri Boehm auftritt, hinterlässt er zerbrochenes Porzellan. Die Ideen von Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner, ausgerechnet ihm eine Bühne zu 80. Gedenken des Konzentrationslagers Buchenwald zu bieten, war aberwitzig.«

Die israelische Regierung intervenierte jedoch nicht allein bei der Gedenkstätte, sondern auch den Holocaustüberlebenden, darunter Naftali Fürst. Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner sagte gegenüber den Medien: »Das habe ich noch nie erlebt und ehrlich gesagt, das möchte ich auch nie wieder erleben. Einem Enkel einer Holocaust-Überlebenden das Wort zu versagen, das ist wirklich das Schlimmste, was ich in 25 Jahren Gedenkstättenarbeit erlebt habe.«

In einem ausführlichen Beitrag auf Spiegel.de vom 8. April 2025 kritisiert der in Deutschland geborene isralische Soziologe Natan Sznaider die Haltung der israelischen Regierung in der Causa Boehm: »Ein souveränes Israel braucht vor Omri Boehm keine Angst zu haben. […] Ein souveräner Staat sollte die Kritik an sich begrüßen und damit wahre Größe zeigen. Dazu gehört auch eine Öffnung der Erinnerung, auch wenn sie für viele Ohren anstößig klingt.«

Zu der von der israelischen Botschaft auf X verbreiteten Behauptung, die Prosor wie oben dargelegt, auch an anderer Stelle formulierte, dass Boehms Perspektive eine eklatante Beleidigung des Gedenkens an die Opfer sei, die den Holocaust relativiere antwortet Sznaider, der in dem Beitrag seine fundamentale Kritik inhaltliche Kritik an Boehms universalistischer Positionierung verdeutlicht: »Abgesehen davon, dass die israelische Botschaft nicht im Namen der Holocaustopfer sprechen kann, stimmt diese Aussage einfach nicht. Boehms Perspektive hat nichts mit Relativierung der Holocausterinnerung zu tun, sondern mit erweiterter Denkungsart, mit der man sich auseinandersetzen muss.«

Sznaider weist im Weiteren darauf hin, dass Omri Boehm aber auch die Soziologin Eva Illouz, der vom isralischen Bildungsminister der Israel-Preis verweigert wird, weil sie die Regierung und Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten kritisierte, Teil der jüdischen Stimmen, seien die in der Tradition prophetischer Mahnung stehen und an die Kosten politischer Macht erinnern. Und er formuliert klar die Erwartung einer Entschuldigung der israelischen Regierung für die Einladung rechtsextremer Politiker zur Antisemitismus-Konferenz in Jerusalem.

In gleicher Weise argumentieren Saba-Nur Cheema und Meron Mendel im Artikel Sehnsucht nach Avi Primor, der ebenfalls am 8. April 2025, aber im Feuilleton der Frankfurter Allgemeine Zeitung erschien. Sie kritisieren scharf die politische Kommunikation des israelischen Botschafters in Deutschland, Ron Prosor und werfen ihm vor, rechtsradikale Akteure in Deutschland gegen Antisemitismus-Kritiker auszuspielen. Er diskreditiere liberale und linke Stimmen, indem er sie mit Terrorunterstützern oder gar Massenmördern gleichsetze. wie die israelische Außenpolitik unter der Regierung Netanjahu zunehmend nationalistisch agiert und kritische Stimmen delegitimiert – auch durch ihre Vertreter im Ausland. Dabei vergleichen sie das aktuelle Auftreten Prosors mit dem diplomatischen Stil seines Vorgängers Avi Primor, der in den 1990er Jahren als Brückenbauer auftrat und wenden sich gegen eine Außenpolitik, die selbst liberale Kritik als Verrat dämonisiert.

Die Erinnerungskultur ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einem zentralen Feld politischer Auseinandersetzung geworden – auch und gerade im Kontext rechtskonservativer bis rechtsradikaler Bewegungen. Sowohl die evangelikale Rechte – etwa in den USA und zunehmend auch in Europa – als auch rechte Strömungen innerhalb des Judentums nutzen erinnerungskulturelle Narrative, um politische Kämpfe gegen progressive, linke und liberale Kräfte zu führen. Dies geschieht über diskursive Reinterpretationen, selektive Aneignungen und strategische Positionierungen. Die wissenschaftliche Forschung hat hierzu eine Reihe fundierter Befunde vorgelegt.

Die Sozialwissenschaftlerin Carolyn J. Dean analysierte in ihren Arbeiten zur Moral Witnessing (2019), wie Erinnerungspraktiken politisch mobilisiert werden können. Die evangelikale Rechte nutzt in den USA die Erinnerung an den Holocaust und an Christenverfolgungen zunehmend zur Selbstviktimisierung und zur Legitimation moralischer Autorität – insbesondere gegenüber als „liberal“ etikettierten Deutungen der Geschichte. Das historische Leid anderer Gruppen wird dabei häufig relativiert oder instrumentalisiert (vgl. Dean 2015: The Fragility of Empathy After the Holocaust). Auch innerhalb des jüdischen Spektrums gibt es rechte Bewegungen, die die Erinnerung an die Shoah ideologisch umdeuten. Idith Zertal (2005) analysierte in Israel's Holocaust and the Politics of Nationhood, wie die Shoah in der israelischen Rechten seit den 1970er Jahren zunehmend zur Begründung einer aggressiven Sicherheitspolitik instrumentalisiert wurde. Der Holocaust diente hier nicht mehr primär dem Gedenken an Opfer, sondern als Legitimation für einen militanten Ethnonationalismus, der linke Kritik als „Verrat“ etikettiert. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich in der gegenwärtigen Regierungspolitik unter Benjamin Netanjahu, wie Eva Illouz in ihrer Kritik an der politischen Kultur Israels betonte (Israel: Soziologische Essays, 2021) und im vergangenen Jahr in Undemokratische Emotionen. Das Beispiel Israel, weiter ausführte.

Dass die Erinnerungskultur kein neutrales, sondern ein hegemonial umkämpftes Terrain ist, in dem in dem sich politische Lager, ideologische Milieus sowie religiöse Bewegungen begegnen und rechte Strömungen kulturkämpferisch gegen pluralistische und linksliberale Positionen vorgehen, wird u.a. deutlich am Film Bonhoeffer-Pastor-Spy-Assassin.

Für den Theologen und Widerständler Dietrich Bonhoeffer kam die Befreiung vom Nationalsozialismus zu spät. Er wurde am 9. April 1945 im KZ Flossenburg hingerichtet. Seine Hinrichtung jährt sich heute zum 80. Mal. Zwei Tage später befreiten amerikanische Truppen das KZ Buchenwald. Danach wurden Bergen-Belsen und Sachsenhausen befreit und erst am 23. April dann auch Flossenburg.

In den USA erschien anlässlich des Jahrestages seiner Ermordung ein Film über Dietrich Bonhoeffer, der nun auch in Deutschland in die Kinos kommt. Die amerikanisch-belgisch-irische Produktion ist aus guten Gründen umstritten.

Im Podcast Kunst der Freiheit sprach ich darüber mit Tobias Korenke. Er ist der Leiter der Unternehmenskommunikation der Funke Mediengruppe und zugleich Historiker sowie Vorstand der Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus in Berlin. Korenkes Großvater, Rüdiger Schleicher, und die Brüder seiner Großmutter Ursula, Dietrich und Klaus Bonhoeffer, sowie ihr Schwager Hans von Donani beteiligten sich am Widerstand und wurden in Folge des fehlgeschlagenen Attentats vom 20. Juli 1944 verhaftet und hingerichtet. Nachstehend ist das Gespräch von Herrn Korenke und mir nachzulesen, das in der Sendung vom 26. März 2025 erschien.


Frage: Herr Korenke, eigentlich müssten Sie sich doch sehr freuen, dass ein Film des Andenkens von Dietrich Bonhoeffer ins Kino kommt und diese Persönlichkeit ehrt. Aber das Gegenteil ist der Fall. Sie haben erhebliche Kritik an dem Film und nennen ihn nicht nur geschichtsverfälschend, sondern auch gefährlich. Was ist passiert?

Tobias Korenke: Es stimmt, eigentlich müsste man sich freuen über einen Bonhoeffer-Film. Wenn er denn gelungen wäre. Er ist aber nicht gelungen, sondern wir haben es hier mit einer ganz schwülstigen und geschichtsverfälschenden Darstellung Dietrich Bonhoeffers zu tun. Er wird als vollkommen glatter, ohne Zweifel durchs Leben gehender Heiliger dargestellt, der es eigentlich nicht erwarten kann, irgendwann dann auch in einer ganz kitschigen Golgatha-ähnlichen Szene dargestellt, hingerichtet zu werden und gen Himmel zu fahren. Es ist sehr unangenehm, die ganze Geschichte.

Und besonders ärgerlich sind viele historische Fehler, die tatsächlich einen geschichtsverfälschenden Charakter haben. So gibt es zum Beispiel eine Situation, in der Martin Niemöller nach der sogenannten Reichskristallnacht am 9. November 1938 eine ganz leidenschaftliche Rede hält, in der er eine Predigt hält, in der er die Judenverfolgung auf das Schärfste verurteilt. Es gehen dann in der Filmszene die Uniformierten wütend und drohend aus der Kirche, und der Rest der Gemeinde klatscht Beifall.

Wenn es so eine Szene gegeben hätte, dann wäre dem Juden in Deutschland sicherlich sehr viel erspart geblieben. Leider hat es eine solche Szene, ein solches Verhalten nicht gegeben. Abgesehen davon ist Martin Niemöller, der hier übrigens als Bischof bezeichnet wird, was er nie war, 1937 verhaftet worden. Das heißt, er konnte 1938 gar nicht diese Predigt halten.

Besonders bedauerlich ist insbesondere, dass Martin Niemöller sich in der NS-Zeit nie öffentlich für Juden, für die verfolgten Juden eingesetzt hat. Etwas, das er später sehr bedauert.

Frage: In dem Gespräch Erinnerung und Verantwortung: 80 Jahre nach der Befreiung mit Jens-Christian Wagner, hier in Kunst der Freiheit, sprach der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora davon, dass neben der Erinnerung an die Opfer die Tätergesellschaft in den Blick genommen werden muss. In dem Bonhoeffer-Film scheint es, als ob die Nazis die Minderheit und die Deutschen ein Volk von Widerstandskämpfer gewesen seien. Sie haben auf diese Geschichtsverzerrung eben auch schon hingewiesen. Was sagt das über den Film aus?

Tobias Korenke: In der Tat scheint es in dem Film so, gerade in dieser Niemöller-Szene, von der ich eben sprach, dass die Nazis eher eine kleine Terror-Truppe war. Die »Besetzer von innen«, auch diese Formulierung, a lá Trump, taucht in dem Film auf. Es wird der Eindruck erweckt, dass die große Mehrheit, den Nationalsozialisten und dem Terror gegen die Juden, gegenüber kritisch eingestellt war und das verurteilt hat. Trotzdem, man kann nicht sagen, dass es ein nationalsozialismusfreundlicher Film ist. Ganz und gar nicht. Es ist vielmehr ein antifaschistischer Film, der jedoch ein völlig schräges Bild der Figur Dietrich Bonhoeffers zeichnet.

Ich habe bereits darauf hingewiesen: Dietrich Bonhoeffer hatte Zweifel. Er ist alles andere als glatt gewesen. Er war ein Intellektueller, der sehr intensiv um seinen Weg gerungen hat. Das kann man anhand der vielen Schriften, die überliefert sind, sehr gut nachvollziehen.

Frage: In der Kritik an dem Film ist darauf hingewiesen worden, auch durch Sie, dass die Aussagen des Films eher Narrative der evangelikalen Rechten in den USA bedienen, als eine tatsächliche Auseinandersetzung mit der Geschichte zu befördern.

Tobias Korenke: Die evangelikalen Filmstudios, die ihn produzierten, haben den Film in den USA aggressiv vermarktet und einige Narrative sehr intensiv gefördert. Es gab zum Beispiel ein Filmplakat, auf dem Dietrich Bonhoeffer mit Pistole abgebildet war. Eine Pistole hatte er in der historischen Realität nachweislich nie in der Hand gehabt.

Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass die evangelikale Bewegung in den USA sehr differenziert zu betrachten ist. Es gibt eine sehr breite, rechte, nationalistische Strömung, die Donald Trump unterstützt hat und die von Donald Trump sehr viel erwartet. Der Film ist in der Zeit des Wahlkampfes in den USA angelaufen. Und ich glaube auch, deswegen hat er dort besonders große Aufmerksamkeit erreicht.

Einer der evangelikalen Wortführer ist Eric Metaxas. Metaxas hat vor zehn Jahren eine sehr erfolgreiche Bonhoeffer-Biografie vorgelegt, die schon ein evangelikales, heiligen Bild von Dietrich Bonhoeffer gezeichnet hat. Jetzt hat er sich zu Äußerungen hinreißen lassen, die in die Richtung gehen, dass so, wie Dietrich Bonhoeffer gegen den Nationalsozialismus Widerstand geleistet hat, heute die Menschen dem widerstehen müssten, was Biden und Harris treiben, überhaupt dem ganzen woken Zeitgeist widerstehen müssten. Das heißt, der Film ist in den USA in ein evangelikales Framing bewusst gestellt worden.

Und das war übrigens der Grund, warum wir als Familie einen offenen Brief verfasst haben, der im Oktober 2024 erschienen ist und tatsächlich gemeinsam mit einer Äußerung von internationalen Bonhoeffer-Experten zu einer sehr heftigen Debatte geführt hat. Und auch die Reaktion von Eric Metaxas, der übrigens ein ziemlich eifriger Fox News-Kommentator ist, auf unseren offenen Brief war sehr bezeichnend. Er sagte nämlich, wir seien genau die woken Menschen, gegen die Dietrich Bonhoeffer Widerstand geleistet hat.

Der Film selbst zeigt eben einen Heiligen, einen Menschen, der tatsächlich sehr fromm ist und der, ich sagte das eingangs schon, im Grunde genommen nichts lieber möchte, als nah bei seinem Gott zu sein und letztendlich dann auch am Ende zu seinem Gott in den Himmel fahren zu können. Auch das ist ein Bild von Dietrich Bonhoeffer, was der evangelikalen Bewegung entspricht, aber mit der historischen Realität überhaupt gar nichts zu tun hat.

Frage: Sie empfehlen statt des Films und vor diesem Hintergrund insbesondere andere Orte für die ernsthaft und gewinnbringende Auseinandersetzung mit Bonhoeffer und seinem Werk zu nutzen, etwa die Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer Haus in Berlin.

Tobias Korenke: Der Regisseur des Bonhoeffer-Films, Todd Comoricky, sagte in Reaktion auf die viele Kritik, die auf ihn einprasselte, er hätte eben seinen Bonhoeffer zeigen wollen. Die künstlerische Freiheit ist sehr hoch zu gewichten, aber ich finde schon, dass historische Fakten nicht völlig außer Acht gelassen werden sollten.

Es reicht meines Erachtens eben nicht, nur seinen Bonhoeffer zu zeichnen, sondern es kommt darauf an, herauszufinden, wie Bonhoeffer tatsächlich in der historischen Realität gewesen ist. Dazu braucht es Orte, an denen man sich intensiv mit Bonhoeffer auseinandersetzen kann, historische Fakten lernen kann, aber vor allen Dingen auch sein Spirit, seine Haltung erfahren kann und lernen kann, warum Bonhoeffer so agiert hat, wie er agiert hat und was das eigentlich mit uns zu tun hat.

Und da ist in der Tat das Bonhoeffer-Haus in Berlin, die Erinnerungs- und Begegnungsstätte in der Marienburger Allee, ein ganz wichtiger Ort. Ich sitze da im Vorstand, das ist nicht der Grund, warum ich den hier erwähne, sondern weil ich wirklich glaube, dass die vielen Menschen, die dort von überall aus der Welt hinkommen, tatsächlich alle mit einem sehr starken Eindruck und mit einem größeren Wissen um das herausgehen, was Bonhoeffer umgetrieben hat, was Bonhoeffer getan hat, um Menschen zu helfen und was wir von ihnen lernen können, zum Beispiel, wenn es darum geht, unsere Freiheit und unsere Demokratie zu bewahren. Gerade deshalb wünsche ich mir sehr, dass das auch die evangelische Kirche versteht und diesen Ort anders und intensiver fördert, als sie das bisher tut.

 

Vorstehend zeigte ich, wie die Erinnerung an den Nationalsozialismus zunehmend durch politische und religiöse Interventionen überformt wird – etwa durch die Einflussnahme der israelischen Regierung auf Gedenkveranstaltungen oder durch die ideologische Aneignung von Widerstandsfiguren wie Dietrich Bonhoeffer durch evangelikale Akteure. Solche Entwicklungen verschieben die Grenzen des Sagbaren und zielen auf die Monopolisierung historischer Deutungshoheit. Deshalb ist abschließend festzuhalten: Erinnerung braucht Offenheit, Widerspruch und historisches Verantwortungsbewusstsein. Sie ist nicht abgeschlossen, sondern umkämpft – und gerade deshalb ein zentrales Feld demokratischer Selbstverständigung.