„Frauen in die Politik. Was können Männer tun?“ – Was ist das eigentlich für eine Frage?!
- Tim Lüddemann/Gemeinnützige Hertie-Stiftung
Zwei Männer zu Gast zum Thema „Frauen in die Politik!“? Das führte gleich zu Beginn zu Kontroversen im Raum. Alldieweil Thomas de Maizière einstieg mit der Ein-Wort-Antwort: „Nichts!“
Im Rahmen des Hertie-Kongresses für politische Kultur, der am 27. März unter dem Titel „Ist das nicht irre?“ den politischen Betrieb hinterfragt hat, diskutierten wir gemeinsam mit Thomas de Maizière und Benjamin-Immanuel Hoff darüber, wie mehr Frauen in die Politik kommen.
Warum braucht es dafür zwei Männer auf dem Podium? Spiegelt die Besetzung nicht genau die bisherigen Verhältnisse im Politikbetrieb wider? Beispielsweise liegt der Anteil der Frauen im neu gewählten Deutschen Bundestag nur bei 32,4% und nur jede siebte Kommune wird von einer Frau geleitet. Die Besetzung des Panels führt uns räumlich vor Augen, dass Gleichstellung auch zum Männerthema werden muss, denn es ist ein Problem, wenn Männer Gleichstellung in einem männerdominierten Politikbetrieb zum Frauenthema erklären. Die Folge: Das Thema verliert.
„Was können Männer tun?“ Diese Frage stellen wir uns, weil der politische Betrieb, wir als Land und nicht zuletzt Männer selbst von einem Wandel durch Frauen und dem diverseren Führungsstil profitieren würden. Wie Thomas de Maizière sagte: „Frauen sind für den politischen Betrieb, nicht nur aufgrund der demographischen Situation, überlebensnotwendig“.
Um ihre Kompetenzen für den politischen Betrieb zu gewinnen, muss sich der Umgang ändern. „Die Haltung des ‚survival of the fittest‘ ist weder zeitgemäß noch dem politischen Betrieb zuträglich. Wir müssen zu Allys für Frauen in der Politik werden“, forderte Benjamin-Immanuel Hoff [siehe auch hier seinen Beitrag zum Thema]. Eine Quote ist hierfür zuträglich. Thomas de Maizière sagte im Gespräch, er habe seine Meinung diesbezüglich im Laufe der Jahre geändert und befürworte inzwischen eine Quotenregelung. Doch es braucht auch eine Reflektion der Machtstrukturen in Gesellschaft und Politikbetrieb, wie es unter dem Schlagwort der „Kritischen Männlichkeit“ gefordert wird.
Übersetzt in Handlungen für den politischen Betrieb heißt das, laut unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer, unter anderem:
- Frauen ausreden zu lassen und ihnen aufmerksam zuzuhören, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. (Ist es aber noch längst nicht.)
- Männer sollten sich reflektiert dafür einsetzen, verkrustete Machtstrukturen aufzubrechen und ihr eigenes Handeln dabei beständig in Frage stellen.
- Der politische Betrieb ist ein recht geschlossenes System. Wer neu ist, kann Unterstützung gut gebrauchen. Menschen neigen mitunter dazu, anderen weiterzuhelfen, die ihnen ähnlich sind. Die bewusste Entscheidung, Einsteigerinnen zu fördern, die eigene Akzente setzen, bringt am Ende allen Zugewinn.
- Männer müssen eine Sensibilität gegenüber jeglichen Formen von Sexismus entwickeln und sich öffentlich hinter Frauen stellen, die davon betroffen sind.
- Mehr Lebensqualität und Lebensverständnis im Politikbetrieb. Teilzeit muss zur Normalität im politischen Betrieb und angegliederten Behörden werden.
- Frauen betreuen häufiger Kinder oder andere Familienangehörige als Männer. Dem kann man Rechnung tragen, etwa mit familienfreundlichen Sitzungszeiten oder guten Kinderbetreuungsangeboten.
- Verantwortung zu teilen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern gesund und der Sache durchaus zuträglich.
Sollten Frauen also darauf warten, dass Männer ihnen den Weg bereiten in die Politik? Natürlich nicht. Sollten wir alle gemeinsam aber an einem Kulturwandel arbeiten, der weibliche Selbstermächtigung im politischen Betrieb ebenso ermöglicht wie Male Allyship? Unbedingt.
Allyship bedeutet ein aktives Hinterfragen und Neubewerten der aktuellen Zustände, bei dem privilegierte Personen Solidarität lernen und vorleben. Male Allyship in der Politik ist wichtig.
Die Autorinnen:
Victoria Luh ist Referentin bei der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung im Projekt „Jugend entscheidet - das Hertie-Programm für innovative Kommunen” und Affiliate Scholar am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS).
Julia Karnahl ist Referentin bei der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Sie arbeitet im Projekt Beruf:Politik und unterstützt zudem die Geschäftsführung bei der strategischen Weiterentwicklung des Bereichs ‚Demokratie stärken‘.