Frontalangriff auf die Erinnerung an das Bauhaus
Am 15. September schloss die am symbolträchtigen 8. Mai 2024 eröffnete Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ der Klassik Stiftung Weimar ihre Pforten. An drei Orten – dem Bauhaus-Museum, dem Museum Neues Weimar und dem Schiller-Museum – wurden 250 Objekte gezeigt, die nachhaltig den weiterhin gepflegten Mythos widerlegen, die Bauhäusler seien immun gegen totalitäre Ideologien gewesen oder das Bauhaus selbst sei letztlich eine antifaschistische Institution.
Dass der rechtsextreme Kulturkämpfer Hans-Thomas Tillschneider, Mitglied der AfD-Landtagsfraktion, die Weimarer Ausstellung besucht hat, ist weder bekannt noch anzunehmen. Er verbrachte dieses Jahr, wie er im Landtag in einer Rede verkündete, damit, Bücher über Caspar David Friedrich zu lesen. Dessen 250. Geburtsjubiläum beschert uns eine Vielzahl fantastischer Ausstellungen und Publikationen, aber eben auch den Versuch der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt, das Friedrich-Jahr als Sprungbrett für Angriffe auf das Bauhaus zu nutzen.
Für die anstehenden Landtagsberatungen brachte die rechtsextreme Fraktion einen Antrag unter dem Titel «Irrweg der Moderne – für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus« ein. Die darin geäußerten Vorwürfe gegenüber dem Bauhaus haben es in sich: „Historische Bausünden, fragwürdige Werte, Ideologisierung von Kunst und Architektur sowie globale Verwertung als Einheitsbrei.“
Diese Parlamentsinitiative hat eine Vorgeschichte, die deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit erhielt als der jüngste Vorstoß. Bereits vor einem halben Jahr beantragte die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei die Auslobung eines »Caspar-David-Friedrich-Preises für Malerei«, der an Künstler verliehen werden solle, „die in Intention und Stil einen künstlerischen Bezug zu Caspar David Friedrich erkennen lassen und mit ihrem Schaffen einen identitätsstiftenden Beitrag zu einer spezifisch deutschen Malerei geleistet haben und für die Zukunft erwarten lassen.“
Was zunächst als folkloristische Traditionspflege erscheint, entpuppte sich in der Parlamentsaussprache zum Antrag als ideologisch aufgeladen. Tillschneiders Ausführungen reihen die maßgeblichen Stichworte des AfD-Gedankenguts auf: Caspar David Friedrich als deutscher Patriot, der dem westlichen Rationalismus abgeneigt und nach Osten orientiert sei, weshalb er heute in Russland geschätzt werde – bedauerlicherweise unterbrochen durch den „amerikanisch-russischen Stellvertreterkrieg in der Ukraine“.
Tillschneider führte weiter aus:
„Ich bin mir sicher, würde Caspar David Friedrich heute leben, würde er das Geld der AfD spenden. [Beifall bei der AfD – Lachen bei SPD und Grünen – Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE: „Das bekommen Sie doch von Putin!“]. Denn wie die die lützowschen Jäger damals mit Pferd und Schwert für die deutsche Freiheit und Souveränität stritten, so streiten wir heute mit Reden, Flugschriften und Plakaten für Freiheit und Souveränität. [Beifall bei der AfD - Zuruf von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE] Auf die Altparteien aber würde Caspar David Friedrich herabsehen, so wie er auf die Fürsten herabgesehen hat, auf die Büttel und Spitzel der Geheimpolizei, die nach dem Wiener Kongress die demokratischen Freiheitsbestrebungen unterdrückten, nicht viel anders, als heute der Verfassungsschutz gegen die freiheitliche Opposition vorgeht. [Beifall bei der AfD]“
Es liegt nahe, dass eine solche Instrumentalisierung, gegen die sich Caspar David Friedrich nicht mehr wehren kann, auch die Überlegung eines Kunstpreises hervorbringt, der ausdrücklich darauf abzielt, ein staatlich vorgegebenes Kunstverständnis zu fördern. Tillschneider formulierte es so:
„Wir wollen keine Kopisten heranbilden, sondern sie sollen das Anliegen, das Caspar David Friedrich verfolgte – er wollte deutsch sein –, auf die Höhe der Zeit bringen. Der Maler muss nur einen deutschen Stil ausbilden wollen, wie auch immer dieser aussehen mag. Er muss auf der Höhe der Zeit sein. Gerade dann, wenn niemand mehr so etwas wie deutsche Kunst anstrebt und niemand mehr den Willen hat, eine Malerei zu schaffen, die eine deutsche Schule begründet oder deutsche Stileigentümlichkeiten entwickelt, ist es genau die Zeit, mit einem Preis einen Anreiz in diese Richtung zu setzen.“
Mit den Stimmen der AfD und gegen die Stimmen aller anderen Fraktionen des Landtages von Sachsen-Anhalt fand dieser Antrag erwartungsgemäß keine Mehrheit. Tillschneider erklärte jedoch in der Debatte bereits, was sich nun in der jüngsten Initiative manifestiert: „Das Bauhaus ist – das sage ich einmal ganz ungeschützt – von einer abgrundtiefen Hässlichkeit und hat Bausünden begangen. Es ist unerträglich anzuschauen. Natürlich hängt sich eine Politik, die keinen Sinn für das Schöne mehr hat, am Bauhaus auf. Das versteht sich natürlich von selbst.“
Damit sind wir beim Bauhaus-Jubiläum in Dessau 2025/2026. Das Bauhaus, 1919 in Weimar gegründet, wurde rund fünf Jahre später von der rechtskonservativen Landesregierung unter Ministerpräsident Leutheußer (DVP), die von völkischen Antisemiten unterstützt wurde, aus der Stadt vertrieben, indem man die avantgardistische Kunstschule finanziell austrocknete. Es nahm daraufhin in Dessau seinen Sitz und erlebte dort eine Blütezeit, bis es auch von dort durch die Nationalsozialisten vertrieben wurde und nach Berlin ins Exil ging.
Dieses avantgardistische Biotop musste sich von Beginn an in einer überwiegend ablehnenden bis feindlichen Umgebung behaupten. Schon der Grundansatz der Kunstschule provozierte konservative und reaktionäre Kreise. Für diese waren die Lehrer, Schüler und Anhänger des Bauhauses links und internationalistisch eingestellt. Was zutreffend war – wenn die Bezugsgröße in der übrigen kulturkonservativen Bevölkerung Weimars besteht. Gesellschaftliche Unterschiede zu nivellieren und zum Verständnis zwischen den Völkern beizutragen provozierte naturgemäß in einer Zeit, in der die Verträge von Versailles und Rapallo rechte und konservative Kreise bis hin zum Mord an Walter Rathenau trieben und restaurative Militärs unter der Führung von Kapp gegen die Weimarer Republik putschten.
Konservative Kreise begegneten den Bauhäusler:innen mit Skepsis bis hin zu offener Ablehnung. Und dennoch war das Bauhaus keineswegs die linke Lehranstalt, als die sie von interessierten Kreisen denunziert wurde. Wenngleich der Anteil an Progressiven in dieser dem Avantgardismus verschriebenen Einrichtung selbstverständlich nicht gering war. Die unterschiedlichen Lebenswege der Bauhäusler:innen zeichnete die eingangs erwähnte Ausstellung der Weimarer Museen nach, zu der es einen exzellenten Ausstellungskatalog gibt und die von Jörg Restorff für das Monopol-Magazin exzellent rezensiert wurde.
Nachdem die seit 1919 regierenden Arbeiterregierungen, im Oktober 1923 für wenige Tage unter Beteiligung der KPD auf Befehl aus Berlin durch die Reichswehr gestürzt wurde (siehe auch: »Linksrepublikanische Gelegenheiten: Die Volksfrontregierungen in Sachsen und Thüringen 1923«), verlor das Bauhaus in Weimar seine Schutzmacht. Die im Februar 1924 gewählte rechtsgerichtete Regierung wirkte auf die Liquidierung des Bauhauses hin (siehe auch: »1924 – Der erste Tabubruch in Thüringen«). Am 18. April 1924 wurde Walter Gropius gekündigt, und im November 1924 wurde der Etat des Bauhauses um 50 Prozent gekürzt. Am 26. Dezember 1924 erklärten die Bauhaus-Meister die Schule (zum 1. April 1925) für aufgelöst. Am 4. Dezember 1926 begründete das Bauhaus in Dessau seine neue Existenz.
Die von der AfD und auch von einigen Kritikern verbreitete Vorstellung »des Bauhauses« greift jedoch zu kurz. Vor mehr als zehn Jahren stellte Harald Bodenschatz zutreffend fest, dass es nicht das Bauhaus gab, sondern mehrere Bauhäuser. Diese waren stets Produkt und Teil der jeweiligen Orte, der handelnden Akteure und natürlich ihrer Zeit. Bodenschatz bezeichnet daher das Bauhaus in Weimar als „Bauhaus in spe“ und das in Dessau als „Bauhaus am Werk“ und betont:
„Das Bauhaus gab es weder personell noch inhaltlich, noch hinsichtlich des Standorts oder der jeweiligen Vor- und Nachgeschichte. Auch eine Verknüpfung von Gestaltung und Weltanschauung greift zu kurz: Die Nationalsozialisten schlossen das Bauhaus, weil es als bolschewistisch wahrgenommen wurde, die Sowjetunion lehnte die Architektur des Bauhauses ab, und Mussolini ließ Bauhaus-Architektur errichten.“
Entgegen den verbreiteten Mythen des verfemten Bauhauses bedienten sich sowohl der Nationalsozialismus als auch, noch stärker, der italienische Faschismus funktionaler Architektur und Grafik sowie Produktdesigns. Diese Indienstnahmen folgten vorrangig pragmatischen Erwägungen, etwa in der Kriegsproduktion. Ästhetisch-politische Kontroversen, wie sie auch durch Hitlers ambivalente Haltung gegenüber der Kunst auf dem Reichsparteitag 1934 sichtbar wurden, prägten diese Entwicklungen. Hitler lehnte sowohl die moderne Avantgarde als auch romantische Rückwärtsgewandtheit ab und plädierte für eine „neue deutsche Kunst“, die der nationalsozialistischen Modernität entsprechen sollte.
Die Weimarer Bauhaus-Schau ermittelte akribisch, dass 188 Studierende des Bauhauses – immerhin 15 Prozent – der NSDAP beitraten. Jörg Restorff fasste es so zusammen:
„Natürlich waren die meisten von ihnen Mitläufer, die sich anpassten, um über die Runden zu kommen. Doch es fehlte keineswegs an überzeugten Nationalsozialisten in den Reihen der Bauhäusler – zu ihnen zählten der Maler Heinrich Basedow der Jüngere und der Architekt Fritz Ertl. Besonders krass war die Anbiederung der ‚Gruppe Nationaler Studierender am Bauhaus Berlin‘, die im Mai 1933 in einer offiziellen Bitte um die Wiedereröffnung der Schule Joseph Goebbels die ‚Ausrottung art- und rassenfremder Einflüsse‘ und einen ‚judenfreien Lehrkörper‘ versprach.“
Der jüngste Vorstoß der AfD in Sachsen-Anhalt unterstreicht die Bedeutung des von der Dessauer Bauhaus-Stiftung vorgesehenen Jubiläumsprogramms, das eine differenzierte Darstellung und keine einseitige Glorifizierung vornehmen wird. Die Stiftung will sowohl die Aufbrüche als auch die Verwerfungen, die mit den Materialinnovationen zu Beginn der 1920er Jahre verbunden gewesen seien thematisieren. Zum Jubiläum werde es nach Aussage der Direktorin Barbara Steiner eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung geben.
Gleichzeitig zeigt die Parlamentsinitiative – auch wenn sie mit Sicherheit keine Mehrheit finden wird – in exemplarischer Weise, wie autoritär-populistische Kulturpolitik aussehen könnte, sollte sie jemals an die Macht gelangen. Dies sollte all jenen eine Warnung sein, die weiterhin der Meinung sind, man müsse der AfD nur einmal die Gelegenheit geben zu regieren, um sie zu entzaubern. Der Preis eines solchen politischen Experiments wäre nicht weniger als die Infragestellung der Freiheit von Kunst und Kultur. Diese stehen bereits jetzt unter erheblichem Druck seitens rechter, autoritär-populistischer Politik, insbesondere in Sachsen-Anhalt. Ein Beispiel dafür ist das IMPULS-Festival für Neue Musik, das seit 2016 verbalen und strukturellen Angriffen ausgesetzt ist, und dessen Förderung 2021 erstmals auf Betreiben der AfD nicht bewilligt wurde. Ähnlich erging es dem Theater der Altmark in Stendal, das unter Druck gesetzt wurde, seine inhaltliche Arbeit zu ändern.
Nach der Vertreibung des Bauhauses formulierte der kommunistische Landtagsabgeordnete Albin Tenner am 29. Januar 1925 weitsichtig:
„Wenn das Bauhaus einmal noch berühmter geworden ist als bisher und es wird einmal ein Musterbau aufgeführt, soll Gropius die rechte Seite des Thüringer Landtags und diese Regierung fotografieren und am Fries die Fotografie anbringen lassen mit der Unterschrift: ‚Die größten Banausen des Jahrhunderts.‘“
Ein Schild in der aktualisierten Fassung: »Die größten kreuzgefährlichen Banausen des Jahrhunderts« könnte schon heute an jedem Tisch der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt angebracht werden.

Ich bin Sozialwissenschaftler und Vater. Knapp drei Jahrzehnte war ich tätig als Abgeordneter, Staatssekretär, Minister und Chef der Staatskanzlei. Zuletzt erschien von mir im VSA-Verlag: "Neue Wege gehen. Wie in Thüringen gemeinsam progressiv regiert wird".
Hier veröffentliche ich regelmäßig Beiträge in meinem Blog zu Gesellschaftspolitik, Kultur & Kunst, Parteien sowie jüdischem Leben.